wer in Deutschland an die Börse will, der braucht einen langen Atem. Während die Private-Equity-Gesellschafter der OLB die Börse abgeschrieben haben und die Bank stattdessen an die französische Crédit Mutuel verkaufen, wollen Bain und Cinven noch nicht aufgegeben und den Generikahersteller Stada weiterhin zurück aufs Parkett führen. Die aktuellen Zahlen sind gut, jetzt muss “nur” noch das Marktumfeld mitspielen.
Unsere Themen heute:
Stada: Mit glänzenden Zahlen endlich an die Börse? (Story der Woche)
Sebastian Borek, High-Tech Gründerfonds (Kopf der Woche)
Wie ein Mathematiker das Private-Markets-Portfolio der MEAG steuert (Podcast)
Weitere News von Lakestar, Crescent Capital und Commonwealth Fusion Systems
Wir wünschen viel Gewinn beim Lesen!
Ihr Philipp Habdank
DIE STORY DER WOCHE
Geht Stada mit glänzen Zahlen endlich an die Börse?X
Der Generikakonzern Stada nimmt nach einem Rekordergebnis im ersten Halbjahr den zweiten Anlauf für einen milliardenschweren Börsengang in Frankfurt. „Wir bereiten einen Börsengang im Herbst vor, sofern die Rahmenbedingungen stimmen“, sagte CEO Peter Goldschmidt in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Anders als im Frühjahr sei das Umfeld an den Finanzmärkten derzeit stabiler. „Außerdem ist es im momentanen Umfeld ein Vorteil, dass wir so gut wie kein Geschäft in den USA haben“, sagte Goldschmidt.
Vor der Sommerpause hatten der Online-Ersatzteilhändler Autodoc und die Medizintechnikfirma Brainlab ihre Debüts im letzten Moment abgesagt und damit auf die Stimmung am IPO-Markt gedrückt. Stada soll laut Finanzkreisen mit rund 10 Mrd. Euro inklusive 5,7 Mrd. Euro Schulden bewertet werden. Als koordinierende Investmentbanken hat das Unternehmen aus Bad Vilbel J.P. Morgan, Morgan Stanley, Jefferies und Rothschild engagiert.
Stada zählt damit zu einer ganzen Gruppe von Unternehmen, die im Herbst an die Börse streben und damit dem IPO-Markt nach dem schwächsten ersten Halbjahr seit mehr als einem Jahrzehnt wieder Leben einhauchen könnten. Dazu zählen die Spin-offs des Autozulieferers Aumovio von Continental und der U-Boot-Tochter TKMS von Thyssenkrupp ebenso wie die geplanten IPOs des Prothesenherstellers Ottobock, der Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx und potenziell auch Tennet Germany.
Exits fallen schwer
Den meisten Private-Equity-Firmen fällt es wegen der seit drei Jahren andauernden Deal-Flaute zunehmend schwer, aus ihren Unternehmensbeteiligungen wieder auszusteigen und ihren institutionellen Investoren einen Teil von deren Einsatz zurückzuzahlen. Stada gehört schon seit 2017 zum Portfolio von Bain und Cinven, die das Unternehmen damals mit einer Bewertung von 5,3 Mrd. Euro übernommen haben.
Seit 2023 versuchen die beiden Private-Equity-Häuser den Generikakonzern wieder zu verkaufen. Mit den Kaufinteressenten Clayton Dubilier Rice und zuletzt Capvest konnte man sich offenbar nicht auf einen angemessenen Preis einigen. Auch die IPO-Pläne im März dieses Jahres zerschlugen sich.
Man wollte durch den Börsengang rund 1,5 Mrd. Euro per Kapitalerhöhung einwerben – zusätzlich zu etwaigen Verkäufen von bestehenden Aktien durch die Private-Equity-Eigentümer. Damit könnten die Schulden abgebaut werden. Allerdings sollen die Schulden laut CEO Goldschmidt halbiert werden. Dafür könnte laut Finanzkreisen zusätzliches Geld dienen, das die Holding oberhalb von Stada sich per Kredit besorgt und dann an die Tochter nach unten weiterreicht. Damit könnte die Verschuldung auf das rund Dreifache des operativen Gewinns (Ebitda) gesenkt werden – ein Niveau, das für IPO-Investoren als erträglich gilt.
„Die Reduzierung der Schulden von 5,7 Mrd. auf 2,7 Mrd. Euro soll durch eine Kombination aus Erlösen und einer Kapitaleinlage der jetzigen Eigentümer erreicht werden“, teilte Stada auf Anfrage mit. Laut Konzernkreisen handelt es sich hierbei eindeutig um Eigenkapital für Stada ohne Rückzahlungsverpflichtungen. Für Stada werde die Schuldenreduzierung nach dem IPO einen Cashflow aus Zinsersparnis von 200 Mill. Euro freisetzen.
Im ersten Halbjahr steigerte Stada den währungsbereinigten Umsatz um 6% auf 2,1 Mrd. Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) kletterte um 5% auf einen Rekordwert von 481 Mill. Euro. Getragen wurde das Wachstum vor allem vom Geschäft mit Spezialpharmazeutika, das 18% zulegte.
+++Banken und Kreditfonds haben in Deutschland im ersten halben Jahr im mittelständischen Leveraged-Finance-Markt so wenig Neugeschäft gemacht wie seit Jahren nicht. Das zeigt der Midcap Monitor von Houlihan Lokey. Ein wesentlicher Grund dafür sind die wenigen echten Exits von Private-Equity-Investoren und die steigende Zahl der Continuation Fonds. (zum Artikel) +++
+++Wolf Lehmann wechselt vom Finanzinvestor Triton zum Verpackungshersteller Gerresheimer. Dort wird Tritons ehemaliger Operating Partner Finanzchef. Unter seinem Vorgänger Bernd Metzner waren zuvor Verkaufsgespräche an Private Equity gescheitert. (zum Artikel)+++
+++Der Venture-Capital-Investor Lakestar von Klaus Hommels hat laut Bloomberg 265 Mill. Dollar für einen der größten europäischen Venture-Capital-Continuation-Fonds eingesammelt. Ankerinvestoren des Fonds seien Lexington Partners, Industry Ventures und Performance Equity Management. +++
+++Auch Crescent Capital arbeitet an einem Fortführungsfonds. Bloomberg zufolge sucht der Finanzinvestor 3 Mrd. Dollar für einen Private-Credit-Continuation-Fonds. In das Vehikel sollen Vermögenswerte aus dem 2017 aufgelegten 4,6 Mrd. Dollar schweren Mezzanine–Fonds verlagert werden. +++
+++Der Schweizer Finanzinvestor Unigestion steigt mit einem Minderheitsanteil beim Münchner Orthopäden-Netzwerk Ortivity ein. Das 2022 gegründete Unternehmen, das orthopädische Dienstleistungen anbietet, hat bei dem Deal rund 200 Mill. Euro erhalten. Der Löwenanteil des Geldes kam vom bestehenden Mehrheitseigentümer Apheon.+++
+++Das weltgrößte private Fusionsenergie-Unternehmen Commonwealth Fusion Systems aus Massachusetts hat in einer Finanzierungsrunde 863 Mill. Dollar eingesammelt. Die Liste der neuen Investoren ist lang und umfasst nach Unternehmensangaben sowohl Wagniskapitalgeber als auch Einzelinvestoren, Private Equity-Gesellschaften, Staatsfonds, Industriekonzerne, Banken, Hedgefonds und Pensionsfonds. Das 2018 gegründete Startup hat erst Ende Juni einen Stromliefervertrag über 200 Megawatt mit Google abgeschlossen.+++
+++Tech-Firmen lassen sich laut einem CB Insights-Bericht mit einem Börsengang heutzutage deutlich mehr Zeit als früher. Das durchschnittliche Alter der Firmen, die bislang in diesem Jahr an die Börse gegangen sind, lag bei 15,9 Jahren. 2015 lag das Durchschnittsalter noch bei 12,2 Jahren.+++
DER KOPF DER WOCHE
Sebastian Borek
Er gilt als einer der aktivsten Frühphasenfonds Deutschlands und hat seit seiner Gründung im Jahr 2005 mehr als 780 Startups finanziert: Der öffentlich-private High-Tech Gründerfonds, kurz HTGF, ist definitiv eine renommierte Adresse in der hiesigen Wagniskapitalbranche. Nun bekommt der Fonds mit Sebastian Borek einen neuen Geschäftsführer, der es in der Startup-Szene ebenfalls schon zu einiger Prominenz gebracht hat.
Der Mehrfachgründer, Business Angel und Mitgründer der Bielefelder Startup-Schmiede Founders Foundation löst beim HTGF ab Mitte Oktober den Noch-Geschäftsführer Alex von Frankenberg ab. Der war seinerseits von Beginn an Teil des Fonds und verlässt diesen nun nach 20 Jahren.
Als einer von insgesamt drei Geschäftsführern übernimmt Borek beim HTGF künftig die Hauptverantwortung für den Investmentbereich Digital Tech. In der Welt ist der Unternehmer bestens vernetzt, hat er doch 2017 die Startup- und Tech-Konferenz „Hinterland-of-Things“ ins Leben gerufen. Diese wurde erdacht, um den deutschen Mittelstand mit Gründern und Investoren zusammenzubringen – mittlerweile nehmen jährlich 1.500 Szeneköpfe an der Veranstaltung teil. Im Juni dieses Jahres fand die Konferenz bereits zum siebten Mal statt.
Den Unternehmergeist hat Borek als Spross der Borek-Familie quasi in die Wiege gelegt bekommen. Die vor über 200 Jahren als Buchbinderei entstandene Firma agiert heute als Dienstleister im Dialogmarketing und betreibt Büros in Braunschweig, in Indien und im Kosovo. Mit diesem Hintergrund sieht Borek es nach eigenen Worten als seine „Stärke, etablierte Industrie und junge Tech-Startups zu verbinden“.
Beim HTGF, der derzeit auf ein Volumen von mehr als 2 Mrd. Euro kommt, wird Borek künftig mit den beiden anderen Geschäftsführern Achim Plum (zuständig für die Investmentbereiche Life Science und Chemie) sowie mit Romy Schnelle (zuständig für Industrial Tech) zusammenarbeiten. Zu den Investoren des HTGF gehören das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die KfW Capital sowie 45 Unternehmen und Family Offices.
Thomas Bayerl denkt gern abstrakt. Das hat er bereits in jungen Jahren während seines Mathestudiums und das tat er anschließend auch vor und während der Finanzkrise, als er für verschiedene Banken komplexe ABS-Papiere strukturierte. Wir erinnern uns: ABS steht für Asset-backed Securities, also mit Vermögenswerten besicherte Wertpapiere.
In der Finanzkrise gerieten vor allem die hypothekenbesicherten Wertpapiere in Verruf, die sogenannten Mortgage-backed Securities, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass wir heute rückblickend von der großen Welt-Finanzkrise sprechen.
Bayerl jedoch fand rechtzeitig den Ausstieg aus diesem Markt. 2009 heuerte er bei der MEAG an, dem Vermögensverwalter der Versicherungskonzerne Munich Re und Ergo. Zunächst beschäftigte ihn auch dort noch der ABS-Markt – bis 2014: Dann betrat Bayerl die Welt der Private Markets und baute für die MEAG den neu gegründeten Bereich Infrastructure Debt auf. Heute verantwortet er alle Investments in illiquide Anlageklassen.
Seine im ABS-Markt gesammelten Erfahrungen will Bayerl aber keinesfalls missen. Im Gegenteil: Sein damals aufgebautes Know-how rund um strukturierte Finanzierungen helfen ihm heute bei Infrastrukturfinanzierungen. Der Unterschied: Die Strukturen, die er heute baut, sind (hoffentlich) nachhaltiger als die renditemaximierten ABS-Papiere von damals.
Welche Lehren Bayerl aus der Finanzkrise zieht, mit welchen mathematischen Modellen er heute das Private-Markets-Portfolio der MEAG steuert und wie er bei all dem abstrakten Denken den Bezug zur Realität nicht verliert: Über all das und noch mehr spricht Bayerl in der neuesten Episode von Beyond Billions. Jetzt überall dort verfügbar, wo es Podcasts gibt!
Vom 20. bis 23. Oktober trifft sich die deutschsprachige Private Markets Community in Kronberg vor den Toren Frankfurts zur ersten Private Markets Week der Börsen-Zeitung. Im Fokus stehen die Themen Private Equity, Private Credit, Venture Capital, Real Estate und Infrastruktur. Mehr dazu erfahren Sie hier.
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